90 Prozent des globalen Warenverkehrs finden über den Seeweg und Häfen statt und es werden alle erdenklichen Güter rund um den Globus transportiert: TV-Geräte, Rohstoffe, Möbel, Smartphones, Drucker, Getreide, Druckerpatronen, Spielzeuge, Chemikalien, Gemüse, Halbleiter, Fleisch, Öl, Quietscheentchen, you name it.
Rund 50.000 Handelsschiffe, davon über 5.400 Containerschiffe, schippern über die Ozeane unseres Planeten (Stand 2021) und zu 33 Prozent liegt einer der Zielhäfen des weltweiten Schiffverkehrs in der EU. Tatsächlich sind Nord- und Ostsee die häufigsten und am dichtesten befahrenen Meere der Welt.
Klimaschutz und der Schutz der Umwelt werden propagiert, dem gegenüber stehen unser Konsumverhalten und die Wege des globalen Handels samt ihrer Emissionen. Doch wie sind die Transportwege der Containerschiffe für Umwelt und Klima zu bewerten?
Treibhausgase: Wie viel CO2 stoßen Frachtschiffe aus?
Dass die Emission von CO2 und anderer Treibhausgase wie Methan eine große Auswirkung auf den Klimawandel haben, ist wissenschaftlich belegt. Über 90 Prozent der Klimaforscher:innen sind überzeugt, dass der Mensch die Klimaerwärmung vorantreibt. Darum ist die Frage berechtigt, wie viel CO2 Frachtschiffe der zahlreichen Reedereien ausstoßen.
Um sich eine Vorstellung von Frachtschiffen und ihrem Ausstoß von Treibhausgasen zu machen, schauen wir uns ein willkürlich ausgewähltes Beispielschiff an, die UASC Barzan. Dieses Containerschiff ist 400 Meter lang, 58,6 Meter breit und fasst 18.800 TEU. TEU bedeutet „Twenty-Foot Equivalent Units“, also 20-Fuß-Standardcontainer, die du vermutlich schon auf Fotos oder live gesehen hast.
Die UASC Barzan darf mit bis zu 199.744 Tonnen beladen werden. Die größten Containerschiffe der Welt fassen übrigens sogar über 20.000 TEU.
Laut Umweltbundesamt [1] stößt ein Containerschiff, das 3000 bis 8000 20-Fuß-Standardcontainer (3000-8000 TEU) fasst, 17 g CO2 pro transportierter Tonne Güter pro Kilometer (tkm) aus.
Rechnen wir der Einfachheit halber auch bei der UASC Barzan mit diesen 17 g CO2/tkm weiter, bedeutet dies für die Strecke Hongkong-Hamburg bei rund 21.000 km in etwa 357.000 g bzw. 357 kg CO2 je 1.000 kg transportierter Güter.
Die UASC Barzan verursacht also insgesamt etwas mehr als 71.300.000 kg bzw. 71.300 t CO2 auf ihrem Weg von China nach Deutschland.
Die Ergebnisse dieser Berechnungen einzuordnen, mag nicht ganz leicht sein. Daher haben wir uns beim Umweltbundesamt den Anteil der gesamten globalen CO2-Emissionen durch Schiffsverkehr herausgesucht: 2,6 Prozent – und die Tendenz ist steigend: Der Welthandel brummt und der Handelsverkehr auf dem Seeweg wird sich in den nächsten Jahrzehnten vermutlich erhöhen.
Teils ist der Handelsverkehr per Schiff notwendig und absolut gerechtfertigt. Teils ist er getrieben von Konsumgier und Gedankenlosigkeit, denn es ist bequem, Billigprodukte aus China und anderen entlegenen Ländern zum Schleuderpreis zu kaufen und damit auch den tausende Kilometer langen Importweg in Kauf zu nehmen. Selbst dann, wenn die Qualität der Ware am Ende nicht überzeugt und diese auf dem Müll landet, wo sie neue Probleme [2] aufwirft.
Tipp: Auf https://schiffspositionen.net/ kannst du dir anschauen, wie viele und welche Schiffe aktuell auf unseren Weltmeeren schippern, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was auf hoher See los ist.
Auswirkungen auf Umwelt und Meere durch Containerschiffe und Handelsflotten
Die ausgestoßenen Treibhausgase durch die Seeschifffahrt und Containerschiffe sind nur der Teil des Problems, der die Erderwärmung vorantreibt. Auch die Umwelt nimmt durch Handelsflotten enormen Schaden. Dazu tragen vor allem 5 Faktoren bei:
Faktor 1: Schweröl und Schwerölverbrauch von Schiffen
Containerschiffe verwenden als Kraftstoff üblicherweise Schweröl. Dieses ist ein Rückstandsöl aus der Erdölverarbeitung, vereinfacht gesagt ein Abfallprodukt, und günstiger als aufbereitetes Öl. Daher wird es dankbar von der Industrie an Reedereien verkauft. Kein Wunder, der Verbrauch an Kraftstoff ist bei Schiffen einfach unvorstellbar hoch.
Pro Tag benötigt ein Containerschiff im Schnitt 200 Tonnen Schweröl, die größten Containerschiffe der Welt verbrennen sogar über 300 Tonnen am Tag. Der Verbrauch wird sich aller Voraussicht nach auch in den nächsten Jahren durch stetig größere und schnellere Schiffe, die die Werften neu verlassen, erhöhen.
Für die Route Hongkong-Hamburg, die in 30-40 Tage zurückgelegt wird, werden (bei einem realistisch angenommenen Bedarf an Schweröl von 200-300 Tonnen pro Tag) 6.000-8.000 Tonnen Schweröl verbraucht.
6.000-8.000 Tonnen Schweröl für die Befahrung einer Route eines einzigen Containerschiffs. Von denen es rund 5.400 Stück gibt – plus die restlichen 44.600 Handelsschiffe anderer Art. Welche Mengen an Schweröl täglich von allen Schiffen zusammengenommen verbrannt werden, ist unglaublich.
Und Schweröl ist kein unbedenklicher Treibstoff. Tatsächlich ist es eines der am meisten verunreinigten und umweltschädlichsten Brennstoffe. Schweröl enthält beispielsweise einen Schwefelgehalt von 3,5 Prozent, dagegen darf PKW- und LKW-Treibstoff aus Umweltschutzgründen nur einen Schwefelgehalt von 0,001 Prozent enthalten. Heizöl darf 0,1 Prozent Schwefel aufweisen, schwefelarmes sogar nur 0,005 Prozent.
Hinzukommen bei der Verbrennung des Schweröls Ruß, Feinstaub und Stickoxide (NOx), die in erheblichen Mengen an die Luft abgegeben werden. Stickoxide [3] schädigen laut Umweltbundesamt Mensch, Tier und Vegetation auf vielfältige Weise.
Bedenklich ist auch, dass bei Havarien, also beispielsweise von Unwettern oder fragwürdigen Manövern ausgelöste Schiffsunfälle, Schweröl in die Meere gelangt und die marine Pflanzen- und Tierwelt gefährdet, sogar Teile von ihr tötet.
Faktor 2: Illegale Entsorgung von Müll und Abwasser
Auf Containerschiffen werden Abwasser und Abfälle durch die Besatzung produziert und vielfach verbotenerweise abgelassen bzw. in die Ozeane und Meere entsorgt. Die tierischen und pflanzlichen Meeresbewohner freuen sich darüber nicht. Genauso wenig die Menschen, die an Küsten leben.
Unter den Abfällen aus der Seeschifffahrt befindet sich organischer Müll, der wegen des natürlichen Abbaus das Meerwasser belastet und beispielsweise Algenbildung fördert. Wenigstens verschwindet dieser Müll relativ schnell, was für Plastikmüll nicht gilt.
Kunststoffabfälle gelangen leider von Schiffen aus direkt ins Meer und werden durch äußere Einflüsse über Jahrzehnte und länger zu Mikroplastik. Riesige Müllteppiche auf den Weltmeeren[4] sind Mahnmale der Ozeanverschmutzung, die zu einem Teil verantwortungslosen Schiffsbesatzungen zu verdanken ist.
Faktor 3: Verklappung von Sludge
Direkt auf dem Schiff wird Schweröl von nicht brennbaren Stoffen gereinigt, bevor es als Treibstoff verwendet werden kann. Der entstehende Abfall ist giftiger Ölschlamm (= Sludge), der in Tanks gesammelt wird. Der Sludge muss schließlich in Häfen kostenpflichtig einem Entsorgungsunternehmen übergeben werden.
Allerdings entscheiden sich zur Kriminalität und Umweltverschmutzung bereite Kapitäne für die Verklappung von Sludge. Der Ölschlamm wird ins Meer abgelassen, bevorzugt bei Nacht und Nebel, damit dieses illegale Vorgehen unbemerkt bleibt. Der Schlamm verseucht die Ozeane und vergiftet Tier- und Pflanzenwelt im Meer und an den Küsten.
Früher kam diese Umweltverschmutzung noch viel häufiger vor, doch seit der Einführung des MARPOL-Vertrags[5], dem „Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe“, in den 1970er Jahren hat sich die Lage deutlich verbessert. Unter anderem sorgt dafür die im Vertrag festgehaltene Pflicht zur Führung eines sogenannten Öltagebuchs, in dem jeder Ölverbleib dokumentiert werden muss. Doch es gibt ausreichend kriminelle Wege, solche nur sporadisch kontrollierten Mechanismen zu umgehen.
Wie real das Problem der Ölverklappung auch heute noch ist, zeigt der Artikel auf Deutschlandfunk Kultur von 2017 mit dem Titel „Teer am Nord- und Ostseestrand – Die Jagd auf Ölsünder[6] “.
Faktor 4: Verlorene Container
Frachtschiffe verlieren Container, die im Ozean versinken. Von November 2020 bis März 2021 sind allein im Pazifik laut offizieller Daten 3000 Container verloren gegangen. Die Container enthalten nicht nur scheinbar unbedenkliches Gut, sondern beispielsweise giftige Chemikalien oder Batterien, die das Meerwasser verunreinigen.
Auch jede Menge Plastik jedweder Form landet über verloren gegangene Container in großen Mengen in unseren Meeren. Eines der größten Probleme ist Plastikgranulat, das für die Weiterverarbeitung bestimmt ist. Geht ein damit beladener Container verloren und bricht auf, landet der Kunststoff im Meer. Immer wieder werden Plastikpellets an Küsten entdeckt, wo sie von Seevögeln und anderen Tieren verspeist werden. Zwar wird versucht, betroffene Meeresregionen und Küsten zu reinigen, doch diese teils wenige Millimeter großen Plastikteilchen können unmöglich alle aus dem Wasser und von Küstenregionen abgesammelt werden.
Die großen Plastikmüllinseln in den Ozeanen, wie das Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik in der Größe Mitteleuropas, wird durch den Verlust von Containern mit Gütern aus Plastik verstärkt. Letztlich ist aber jeder Container und sein Inhalt eine nicht zu akzeptierende Umweltverschmutzung.
Faktor 5: Lärmbelastung durch Schiffsmotoren
Die Schifffahrt ist eine enorme Lärmbelastung für die Unterwasserwelt. Die Motorengeräusche beeinflussen Meerestiere negativ, erschweren ihre Paarung, die Navigation und Nahrungssuche und sie können sich nicht rechtzeitig vor Fressfeinden in Sicherheit bringen.
Schall breitet sich unter Wasser über riesige Distanzen aus und führt dazu, dass sich der Lebensraum im Meer für Wale, Delfine, Fische, Wirbellose und Tintenfische verändert. Außerdem ist der Lärm durch Containerschiffe und andere Schiffe kontinuierlich vorhanden, was Tiere extrem irritiert, vertreibt und teils zum Tode verurteilt.
Die Schifffahrt muss revolutioniert werden
Schon heute arbeiten Ingenieure daran, dass Schiffe sauberer und umweltfreundlicher werden und weniger die Klimaerwärmung durch ausgestoßene Treibhausgase antreiben. Aber auch Maßnahmen ohne hohe Ingenieurskunst könnten zumindest eine geringe Verbesserung der Ökobilanz von Schiffen bewirken.
Es wird gefordert, dass Schiffe nicht mehr mit Schweröl, sondern mit dem saubereren Dieselöl angetrieben werden. Zusätzlich ist die Verringerung des Schwefelanteils des Schweröls im Gespräch.
Ein weiterer Vorschlag ist, Schiffe mit „Liquid Natural Gas“ (LNG) anzutreiben, was allerdings nicht nur angesichts der aktuellen Gas- und Energiekrise kritisch zu betrachten ist. Denn LNG verbrennt zwar sauberer und die CO2-Emissionen könnten um 20 Prozent verringert werden, dafür würde allerdings Methan ausgestoßen. Methan ist ein größerer Klimatreiber als CO2, was den positiven Nutzen für den Klimaschutz aushebeln würde.
Ein weiterer Ansatz ist, die Außenhülle von Schiffen zu optimieren, sodass weniger Widerstand entstehen würde. Dadurch würde der Treibstoffbedarf sinken.
Aber wir wollen dir und uns nichts vormachen: Eine echte Lösung für umweltfreundlichen und klimaschonenden Schiffsverkehr liegt noch in weiter Ferne. Auf den Transport über den Seeweg können wir aktuell trotz aller Emissionen und Umweltgefahren aber nicht verzichten. Industrien sind beispielsweise abhängig von der Zulieferung von Material und Bauteilen, wir alle sind abhängig von Lebensmitteltransporten wie Getreide.
Allerdings gibt es durchaus Konsumgüter, die wir regional, national oder aus dem EU-Raum beziehen können, die nicht oder wenigstens nicht so weit über den Seeweg verschifft werden müssen. Nutzen wir diese Möglichkeit, um einfach verantwortungsvoll einen kleinen Beitrag zu leisten, der in der breiten Masse angekommen Größeres bewirken kann.
[1]https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-energieeffizient-ist-ein-schiff
[2]Link Plastikmüll-Beitrag
[3]https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/warum-sind-stickstoffoxide-nox-schaedlich
[4]Bild von Müllteppich einfügen
[5]https://de.wikipedia.org/wiki/Internationales_ProzentC3Prozent9Cbereinkommen_zur_VerhProzentC3ProzentBCtung_der_Meeresverschmutzung_durch_Schiffe
[6]https://www.deutschlandfunkkultur.de/teer-am-nord-und-ostseestrand-die-jagd-auf-oelsuender-100.html