Wusstest du, dass es Bioplastik vor erdölbasiertem Plastik gab? Bereits 1869 gab es die erste Fabrik für Celluloid, ein Kunststoff, der auf Cellulose basiert. Erst später wurde Plastik auf Grundlage von Erdöl hergestellt, wie etwa die marktführenden Kunststoffe Polyethylen und Polypropylen. Für diese Kunststoffe entstanden beispielsweise im Jahre 1956 die ersten großtechnischen Verfahren zur Herstellung. 

In den 1980er Jahren erlebte Biokunststoff ein Revival aufgrund der gestiegenen Erdölpreise. In den letzten zehn Jahren ist Bioplastik erneut verstärkt in den Fokus der Industrie und der Öffentlichkeit gerutscht. Ein größeres Bewusstsein für die Endlichkeit von Rohöl und der Wunsch nach geschlossenen Stoffkreisläufen sind Triebfedern, aber auch die größere Achtsamkeit der Konsument:innen für Umweltschutz und Klimaschutz.

So sinnvoll die Suche nach praktikablem Ersatz zu Erdöl-Plastik für Verpackungen und andere Produkte sein mag: Es gibt 8 Irrtümer über Bioplastik, die ich heute ausräumen möchte. Welche Irrtümer waren dir bereits bekannt – und womit konnte ich dich überraschen?

Irrtum 1 – Bioplastik ist genau definiert

Bioplastik ist Bioplastik – richtig? Nein! Tatsächlich sind die Begriffe Bioplastik und Biokunststoff nicht geschützt. 

Daher gibt es

  • biologisch abbaubaren Biokunststoff und
  • biobasierten Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen.

Das bedeutet, dass die biologische Abbaubarkeit von Bioplastik nicht damit einhergeht, ob es aus biobasierten Grundstoffen hergestellt wurde. Zwar kann biobasiertes Plastik biologisch abbaubar sein – aber das ist nicht zwingend gegeben. Es gibt auch erdölbasiertes Plastik, das biologisch abbaubar ist, und kann mit der Bezeichnung Biokunststoff beworben werden.

Zusammengefasst gibt es Bioplastik mit folgenden Parametern:

  • Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen und biologisch abbaubar oder kompostierbar
  • Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen und nicht biologisch abbaubar
  • Bioplastik aus Erdöl und biologisch abbaubar

Anzumerken ist noch, dass Bioplastik oft nur anteilig in Kunststoffen enthalten ist.

Ganz schön verwirrend … und natürlich eine prima Basis für Greenwashing.

Irrtum 2 – Bioplastik kann auf den Kompost

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als kompostierbare Müllbeutel aus Bioplastik angepriesen wurden. Wenig überraschend kamen Endverbraucher auf die Idee, dass sie ihre kompostierbaren Abfälle in Bio-Plastiksäcken sammelten und sie darin auf den Komposter im Garten entsorgten. Bald stellten sie fest, dass sich der Plastiksack aus Biokunststoff nicht zersetzte. 

Das ist kein Wunder, denn „kompostierbar“ ist in Bezug auf Biokunststoff anders zu verstehen als bei Grünschnitt, Gemüse- und Obstschalen, die tatsächlich im Kompost abgebaut und zu Humus werden. 

Bioplastik nicht auf Kompost geben
Bioplastik darf nicht auf den Kompost im Garten
gegeben werden

Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen, das als kompostierbar deklariert ist, ist normalerweise nur unter industriell herbeigeführten Bedingungen kompostierbar. Solche Bedingungen sind auf dem Komposthaufen nicht vorzufinden. Ergo dürfen weder Bioplastik noch als kompostierbar beworbenes Bioplastik auf den Kompost.

Irrtum 3 – Bioplastik darf in die Biotonne

Hier gilt das gleiche wie bei Irrtum 2, auch wenn die Abfälle aus der Biotonne nach der Abholung „professionell“ in Kompostieranlagen kompostiert werden. Doch selbst die in Kompostieranlagen optimierten Bedingungen, die Biomüll in Kompostgut verwandeln, reichen nicht aus, um kompostierbares Bioplastik abzubauen. 

Davon abgesehen, geht Biomüll aus der Biotonne auch in Biogasanlagen, wo Kunststoffe unerwünscht sind; tatsächlich müssen Kunststoffe jeder Art und andere Fremdstoffe aus dem Biomüll vorab herausgefiltert werden. Entsprechend darf Bioplastik auch nicht in die Biotonne.

Eine Ausnahme bilden theoretisch biologisch abbaubare Plastikbeutel nach der Norm EN 14995 und EN 13432. Ich schreibe theoretisch, weil die meisten Kommunen bzw. Entsorger in Deutschland diese Beutel trotzdem ausschließen. Der Grund ist die zu lange Dauer der Zersetzung der Biokunststoffe dieser Normen in den Kompostieranlagen.

Irrtum 4 – Bioplastik ist biologisch abbaubar

Wie wir inzwischen wissen, ist nicht jedes Bioplastik biologisch abbaubar, und falls es sich um ein solches handelt, kann es erdölbasiert oder aus nachwachsenden Kunststoffen bestehen.

Die Zertifikation eines Bioplastiks als biologisch abbaubar erfolgt nur unter speziellen Test-Bedingungen. Wie wir bereits festgestellt haben, werden diese nur selten in der Realität erreicht. 

Also nein, Bioplastik ist nicht generell biologisch abbaubar, und falls es als solches deklariert ist, geschieht der Prozess nur sehr langsam oder unter Spezialbedingungen. Anzumerken ist, dass beim biologischen Abbauprozess von Bioplastik keine Nährstoffe entstehen, wie es bei der Kompostierung von Grünabfällen der Fall ist, denn es sind schlicht keine vorhanden.

Irrtum 5 – Bioplastik wird recycelt

Bis dato gibt es keinen Recyclingkreislauf, der speziell auf Verpackungen und andere Produkte aus Bioplastik ausgelegt ist. Das liegt einerseits an den unterschiedlichen Kunststoffen, die unter dem Begriff Bio laufen, andererseits an der mangelnden Unterscheidung zwischen Biokunststoffen und herkömmlichen Kunststoffen.

Teilweise wird Bioplastik recycelt, wenn die chemische Struktur dem von erdölbasiertem Kunststoff gleicht. So sind beispielsweise PET-Flaschen mit Bioplastik-Anteil im Umlauf, die mit „gewöhnlichen“ PET-Flaschen recycelt werden.

Bioplastik - wird es recycelt?
Bioplastik – wird es recycelt?

Bioplastik wird also nicht speziell recycelt, teilweise kann und wird es mit „normalem“ Plastik recycelt, teilweise muss es verbrannt, also energetisch verwertet werden

Irrtum 6 – Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen ist nachhaltiger, umwelt- und klimafreundlicher

Aspekte der Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimafreundlichkeit sind bei Bioplastik sehr vielschichtig. Ausschlaggebend ist für die schwierige Bewertung bereits die Vielfalt der Kunststoffe, die sich mit dem Begriff „Bio“ zieren dürfen.

Klimafreundlicher ist gegebenenfalls Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen im Vergleich zu erdölbasierten (Bio-)Kunststoffen, weil die genutzten Pflanzen wie Mais oder Zuckerrohr CO2 binden. Doch bei den Herstellungsprozessen der pflanzenbasierten Biokunststoffe gibt es große Unterschiede und es ist von außen nur schwer zu beurteilen, wie hier die CO2-Bilanz ausfällt. Sicher ist aber, dass bei der Entsorgung von Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen kein Erdöl verbrannt wird, das über Jahrmillionen gebundenes CO2 freisetzt, sondern nur solches, das bereits in der Atmosphäre war. Und natürlich wurde für solches Plastik der Erdölvorrat geschont.

Anbau von pflanzlichen Rohstoffen für Bioplastik ist problembehaftet

Dem stehen die benötigten Flächen für den Anbau der Pflanzen für biobasierte Kunststoffe gegenüber. Davon abgesehen, dass diese Flächen für den Anbau von Nahrungsmittel entfallen, werden teilweise Waldflächen und andere natürliche Flächen vernichtet. Besonders die Abholzung von Wäldern setzt CO2 frei und auch der Verlust der Bäume bedeutet weniger natürliche CO2-Bindung. 

Aus Sicht von Nachhaltigkeit und Umwelt ist anzuprangern, dass für benötigte Anbauflächen Arten vertrieben werden, was einen Verlust von Biodiversität in puncto Flora und auch Fauna bedeutet. Außerdem werden die Pflanzen für biobasiertes Plastik selten nachhaltig angebaut. Es wird teils viel Wasser eingesetzt und Dünger und Pestizide werden ausgebracht. Das reichert einerseits die Böden mit zu vielen Nährstoffen an, Fachleute sprechen hier von Eutrophierung, aber andererseits ist auch eine Übersäuerung der Böden zu beobachten. Dünger und Pestizide gelangen zusätzlich in Flüsse und Gewässer und gefährden Fische und andere Lebewesen.

Variierende Parameter erschweren ökologische Einschätzung von Biokunststoffen

Damit ist die Beurteilung der Nachhaltigkeit nicht abgeschlossen. Ein weiterer Aspekt: biobasiertes Plastik wird aus Rohstoffen unterschiedlicher Generationen hergestellt. Die erste Generation sind klassische Feldfrüchte wie Kartoffeln oder Mais, die Anbauflächen für Nahrungsmittel beanspruchen. Die zweite Generation sind landwirtschaftliche Abfälle und Rückstände sowie Zellulosekulturen, die immerhin als Nebenprodukte nicht extra Flächen benötigen. In die dritte Generation fallen Algen. Daraus lässt sich ablesen, wie viele verschiedene Parameter bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit eine Rolle spielen.

Umweltverbände äußern sich kritisch zu Bioplastik

Umweltbundesamt (UBA), BUND und WWF äußern sich in einem Artikel des National Geographic eher kritisch zu Bioplastik. Das UBA prangert im Artikel an, dass Bioplastik für sehr unterschiedliche Kunststoffe stehen könne, nicht nur für biobasierte. Der WWF wirft ein, dass man mit Biokunststoffen nicht das Mikroplastik-Problem lösen würde, und der BUND spricht an, dass Einwegprodukte aus Biokunststoffen trotzdem nach einer Nutzung in den Müll wanderten, was eine Ressourcenverschwendung wäre.

Stand heute ist also, dass Bioplastik nicht (unbedingt) nachhaltiger, umwelt- und klimafreundlicher ist. Ich hoffe persönlich, dass die Industrie weiter forscht und sich dabei an Nachhaltigkeitskriterien, und nicht nur an Profitabilität orientiert.

Irrtum 7 – Bioplastik ist eine gute Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen

Siehe Irrtum 8: Bioplastik ist (noch?) nicht (in jedem Fall) eine gute Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen. Damit das so wäre, müsste Bioplastik ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen aus nachhaltigem Anbau stammen, und es müsste für sie geschlossene Recyclingkreisläufe geben sowie umwelt- und klimafreundliche Recyclingverfahren. 

Im Sektor Biokunststoffe werden meines Erachtens nach klare, unumstößliche Definitionen und Vorschriften für die Begriffe kompostierbar, bio-abbaubar und biobasiert benötigt. Es sind zudem deutlich mehr Transparenz und Nachverfolgbarkeit sowie weitere Forschung notwendig sowie Regelungen von Seiten der Gesetzgebung, um Bioplastik zu einer echten Alternative voranzutreiben.

Irrtum 8 – Bioplastik ist unbedenklicher und gesünder

Bioplastik besteht wie herkömmliches Plastik aus Polymeren. Diese chemischen Verbindungen sichern im Zusammenspiel mit Additiven die geschätzten Eigenschaften von Kunststoffen. Die genannten Additive können Weichmacher, Füllstoffe oder Stabilisatoren sein.

Forscher:innen der Goethe Universität Frankfurt haben 43 Produkte aus dem Handel (online und stationär) aus bioabbaubaren und biobasierten Kunststoffen untersucht und kamen zu folgenden Ergebnissen:

  • Most bioplastics and plant-based materials contain toxic chemicals.
  • Cellulose and starch-based products induce the strongest in vitro toxicity.
  • Most samples contain >1000 chemical features; the maximum is 20,000 features.
  • The material type does not predict toxicity or chemical composition.
  • Bio-based/biodegradable materials and conventional plastics are similarly toxic.

Übersetzung:

  • Die meisten Biokunststoffe und Materialien auf Pflanzenbasis enthalten giftige Chemikalien.
  • Produkte auf Zellulose- und Stärkebasis weisen die stärkste In-vitro-Toxizität auf.
  • Die meisten Proben enthalten >1000 chemische Merkmale; das Maximum liegt bei 20.000 Merkmalen.
  • Die Materialart sagt nichts über die Toxizität oder die chemische Zusammensetzung aus.
  • Biobasierte/biologisch abbaubare Materialien und herkömmliche Kunststoffe sind ähnlich giftig.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412020320213?via%3Dihub

Also ist festzuhalten, dass Bioplastik nicht generell unbedenklicher und gesünder ist.

Fazit: Bio hört sich gut an, ist aber bei Plastik kein Versprechen

Aktuell ist Bioplastik mit ganz ähnlichen Problemen wie herkömmlicher Kunststoff belastet und auch die Herstellung ist nicht zwingend umweltschonender und besser fürs Klima. Darum wäre es fatal, wenn wir uns bei Kunststoffen vom Begriff Bio dazu verleiten ließen, leichtfertiger damit umzugehen. Am Ende ist es nämlich egal, ob Bioplastik oder „normales“ Plastik in in den Weltmeeren treibt, von Meeres- und Küstentieren gegessen und an Land zu Mikroplastik verkommt: Es gehört dort nicht hin. Am verantwortungsvollsten ist es darum, Plastik jeder Art zu vermeiden und auf nachhaltige Alternativen zurückzugreifen.

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